Justiz :: Дюрренматт Фридрих
Страница: 7 из 54 | |||
| ||||||||||||||
| ||||||||||||||
КАТЕГОРИИ КНИГПОСЛЕДНИЕ ОТЗЫВЫ О КНИГАХМихаил (19.04.2017 - 06:11:11) Антихрист666 (18.04.2017 - 21:05:58) Ладно, теперь поспешили вы... (18.04.2017 - 20:50:34) Роман (18.04.2017 - 18:12:26) АНДРЕЙ (18.04.2017 - 16:42:55) СЛУЧАЙНОЕ ПРОИЗВЕДЕНИЕЗадумчив взгляд мой одинокий, 14.09.10 - 18:29 Хотите чтобы ваше произведение или ваш любимый стишок появились здесь? добавьте его! |
Ein Kampf mit Hélène war sinnlos, weil sie sich schon entschieden hatte, weil er schon entschieden war. Ich konnte sie nicht zwingen, ihren Vater zu verraten. Woran sollte ich denn bei ihr appellieren? An die Ideale? An welche? An die Wahrheit? Die hatte sie verschwiegen. An die Liebe? Sie hatte mich verraten. An die Gerechtigkeit? Dann würde sie mich fragen: Für wen? Für eine lokale Geistesgröße? Asche ist zufrieden. Für einen windelweichen, verlogenen Schürzenjäger? Der ist auch kremiert. Für mich? Nicht der Mühe wert. Die Gerechtigkeit ist keine Privatsache. Und dann würde sie mich fragen: Wozu Gerechtigkeit? Für unsere Gesellschaft? Nur ein Skandal mehr, nur Redestoff, übermorgen längst eine andere Tagesordnung. Resultat der Denkübung: Der Nutzwert der Gerechtigkeit wog für Hélène ihren Papa nicht auf. Für einen Juristen eine lähmende Erleuchtung. Sollte ich noch den Lieben Gott ins Spiel bringen? Ein sicher sehr freundlicher, doch ziemlich unbekannter Herr mit ungesicherter Existenz. Und dann: Was hat der Mann alles zu tun! (Durchmesser des Universums nach de Sitter — veraltet, viel zu bescheiden gerechnet — in Zentimetern: eine Eins mit achtundzwanzig Nullen.) Aber es galt durchzuhalten, sich aufzurappeln, die Philosophie hinunterzuwürgen, den Kampf gegen die Gesellschaft, gegen Kohler, gegen Stüssi-Leupin weiterzuführen und den gegen Hélène aufzunehmen. Denken ist ein nihilistischer Zug, stellt die Werte in Frage, und so wandte ich mich denn wieder rüstig dem tätigen Leben zu, wanderte erfrischt nach der Innenstadt zurück, See, Schwäne und Segelschiffe nun zur Linken, an Liebespaaren und Rentnern vorbei, aufs angenehmste durch einen Sonnenuntergang kosmisch beleuchtet, trank dann den ganzen Abend durch Klävner (den ich gar nicht vertrage), und als ich gegen ein Uhr mit einer zwar berüchtigten, dafür aber kühngewachsenen Dame in ihrem Appartementhaus verschwand, stand dort im Eingang Stuber von der Sittenpolizei, notierte Adressen, verbeugte sich höflich, die Geste sollte wohl ironisch wirken, Kohlen aufs Haupt eines verlotterten Rechtsanwalts. Das war Pech. Möglich. (Dafür war die Dame anständig, ihr war's eine Ehre, sagte, ich könne das nächste Mal zahlen, was ich bezweifelte, ich beichtete ihr, auch das nächste Mal sei ich dazu kaum imstande, gestand meinen Beruf, worauf sie mich engagierte.)
Land und Leute: Einige Bemerkungen sind unumgänglich. Zu einem Mord gehören auch nähere und weitere Umgebung, die mittlere Jahrestemperatur, die durchschnittliche Häufigkeit von Erdbeben und menschliches Klima. Alles ist miteinander verflochten: Gegründet wurde das Unternehmen, welches sich bald unser Staat, bald unser Vaterland nennt, vor etwas mehr als zwanzig Generationen, grob gerechnet. Ort: Zuerst spielte sich alles der Hauptsache nach im Kalk, Granit und in der Molasse ab, später kam Tertiäres hinzu. Klima: leidlich. Zeit: Zuerst mittelmäßig, die habsburgische Hausmacht braute sich zusammen, viel Faustrecht, es galt sich durchzuprügeln, und man prügelte sich durch, knackte Ritter, Klöster und Burgen wie Panzerschränke, gewaltige Plünderungen, Beute, Gefangene wurden keine gemacht, vor den Schlachten Gebet und nach dem Gemetzel Orgien, enorme Saufereien, der Krieg rentierte, dann aber leider die Erfindung des Pulvers, die Großmachtpolitik stieß auf steigenden Widerstand, dem Dreschen mit Hellebarde und Morgenstern wurden Grenzen gesetzt, die Nahkämpfer wurden aus der Ferne zusammengetätscht, nach kaum acht Generationen schon der berühmte Rückzug, von da noch weitere sieben Generationen relative Wildheit, teils mordete man sich nun untereinander, unterjochte Bauern (mit der Freiheit nahm man es nie so genau) und schlug sich um die Religion, teils betrieb man Söldnerei im großen Stil, gab sein Blut für den Meistbietenden, beschützte die Fürsten vor den Bürgern, ganz Europa vor der Freiheit. Dann endlich gewitterte die Französische Revolution herauf, in Paris wurde die verhaßte Garde zusammengeschossen, tapfer stand sie auf verlorenem Posten, im Dienste eines verrotteten Systems von Gottes Gnaden, während einer ihrer aristokratischen Offiziere in einer Dachkammer und in Sicherheit dichtete: >Bunt sind schon die Wälder, gelb die Stoppelfelder, und der Herbst beginnt<. Wenig später räumte Napoleon mit dem ganzen Plunder von gnädigen Herren und Untertanenländern endgültig auf: dem Land taten die Niederlagen gut. Ansätze zur Demokratie zeigten sich und neue Ideen: Pestalozzi, arm, schäbig und glühend, zog im Lande herum, von einem Unglück ins andere. Eine radikale Wende zu Geschäft und Gewerbe setzte ein, drapiert mit den entsprechenden Idealen. Die Industrie begann sich breitzumachen, Eisenbahnen wurden gebaut. Zwar war der Boden arm an Schätzen, Kohle und Erze mußten eingeführt und verarbeitet werden, aber emsiger Fleiß überall, steigender Reichtum, doch ohne Verschwendung, leider auch ohne Glanz. Sparsamkeit installierte sich als höchste Tugend, Banken wurden gegründet, zuerst zaghaft, Schulden galten als unehrenhaft, stellten einst die Landsknechte einen Ausfuhrartikel dar, jetzt die Bankrotteure: wer bei uns pleite ging, hatte jenseits der Ozeane eine Chance. Alles mußte rentieren und rentierte: sogar die unermeßlichen Steinhaufen und Geröllhalden, die Gletscherzungen und Steilhänge, denn seit die Natur entdeckt worden war und sich jeder Trottel in der Bergeinsamkeit erhaben fühlen durfte, wurde auch die Fremdenindustrie möglich: die Ideale des Landes waren immer praktisch. Im übrigen lebte man entschlossen so, daß es jedem möglichen Feind nützlicher war, einen in Ruhe zu lassen, eine an sich unmoralische, doch gesunde Lebenshaltung, die von keiner Größe, aber von beträchtlichem politischem Verstand zeugte. Man mauserte sich denn auch durch zwei Weltkriege, manövrierte zwischen Bestien, kam immer wieder davon. Unsere Generation erschien. Gegenwart (1957 n. Chr.): Große Teile der Bevölkerung leben beinahe sorglos dahin, gesichert und versichert, Kirche, Bildung und Spitäler stehen zu gemäßigten Preisen zur Verfügung, die Kremierung erfolgt im Notfall kostenlos. Das Leben gleitet auf festen Gleisen, aber die Vergangenheit rüttelt am Bau, erschüttert die Fundamente. Wer viel hat, fürchtet, viel zu verlieren. |
ИНТЕРЕСНОЕ О ЛИТЕРАТУРЕ
ТОП 20 КНИГ
ТОП 20 АВТОРОВ
| ||||||||||||
|